«Wir stellen relevante Erkenntnisse den richtigen Mitarbeitern punktgenau zur Verfügung»

Dienstag, 22. August 2017, 2 KommentareLesezeit: 4 Minuten

Squirro ist ein Zürcher Jungunternehmen, in das Salesforce jüngst strategisch investiert hat. Ein Gespräch mit Dr. Dorian Selz, dem CEO und Mitgründer.

Dr. Dorian Selz

Mitbegrunder und CEO von Squirro

Davor hat Dorian Selz die Schweizer Suchplattform local.ch gegründet. Er machte sie innerhalb von vier Jahren zum Marktführer. Zuvor war er Partner und Chief Operating Officer (COO) bei Namics, der grössten E-Business-Beratung in der Schweiz und in Deutschland. Promoviert hatte er an der Universität St. Gallen. Zudem hält er einen Master der Wirtschaftswissenschaften der Universität Genf.

 

Verändert KI Wertschöpfungsketten von Unternehmen?

In ihrer heutigen Form verändert KI keine Wertschöpfungsketten, sondern optimiert Prozessschritte. Für die «Commercial Real Estate»-Abteilung einer grossen europäischen Bank überwacht unsere KI-Plattform Squirro zum Beispiel die Immobilienmärkte. Dabei erkennt sie automatisch neue Opportunitäten für Geschäftsabschlüsse bei Hypothekarkrediten. Die meisten dieser Leads hat die Bank ohne den Einsatz von KI zuvor selbst nicht erkannt; es waren verpasste Marktchancen. Squirro bewirkte eine erhebliche Ertragssteigerung. Mittelfristig jedoch wird KI Wertschöpfungsketten auch vollständig zerlegen können, so wie das Internet die Musikindustrie komplett umgekrempelt hat. Die Kombination aus KI-getriebener Automatisierung und menschlicher Intuition wird viele Branchen tiefgreifend verändern.

 

Inwiefern steigert Ihre Software die Qualität der Kundenbetreuung?

Ein Beispiel: Brookson ist eine mittelständische Treuhandfirma in Grossbritannien. Ihr Kundenstamm: vorwiegend Selbstständige und Kleinstfirmen, die sich keine teuren Buchhalter leisten können. So erfolgt die Kundenkommunikation vorwiegend über E-Mail und Telefon. Zunächst setzte Brookson unsere Software nur ein, um zu verstehen, welche Themen die Kunden beschäftigen. Dazu analysierte Squirro wöchentlich über 30’000 E-Mails und Anrufe und zeigte automatisch Trends auf (z. B. Schwierigkeiten bei der Anpassung an die jüngste Mehrwertsteuerregel). Dann hat man damit begonnen, Kundeninteraktionen über die gesamte Betreuung hinweg zu analysieren. Jede E-Mail und jeder Anruf werden nun automatisch auf die Qualität der Kundenbeziehung hin untersucht. Fällt der festgestellte Wert unter ein gewisses Mass, reagieren die Mitarbeiter unverzüglich. Brookson konnte die Abwanderungsquote nach kurzer Zeit deutlich senken und die Kundenzufriedenheit signifikant steigern.

 

Wie steht es um die Kreativität und die wichtige emotionale Komponente?

KI in ihrer heutigen Form kann keinen Menschen ersetzen. Gerade emotionale Elemente der Sprache, das sogenannte Sentiment, können Computer bis heute nur unzulänglich analysieren. Ein Text kann positiv beginnen und negativ enden. Was also ist der Sentiment- Score des Textes? Computer verstehen nach wie vor nur null und eins. Was KI leisten kann, ist jedoch die Unterstützung des Kundendienstes, wie der Brookson-Fall eindrücklich zeigt.

 

Welche weiteren Anwendungsfelder profitieren von KI?

«Software eats the world», lautet ein Sprichwort. Demnach erfasst die Digitalisierung jeden Teil unserer Wirtschaft und Gesellschaft und wir stehen erst am Anfang. Firmen, die jetzt handeln, können sich erhebliche Vorteile bei der Marktbearbeitung verschaffen. KI wird Branchen wie das Gesundheitswesen (z. B. bei der Bildanalyse zur Früherkennung von Krebs oder beim Transport), das autonome Fahren, Finanzdienstleistungen (Robo-Advisor) und sogar den Staat (E-Government) komplett verändern. Wir stehen an einem Wendepunkt wie damals beim Übergang von der Postkutsche zum Auto.

 

Was ist im Kundenbeziehungsmanagement noch denkbar?

Der Kunde wird immer im Zentrum stehen. Ich unterscheide transaktions- («High Volume, Low Touch») und beziehungsorientierte Modelle («Low Volume, High Touch»). Erstere sind oft preissensitiv und werden künftig viel automatisierter und über Self-Services vonstattengehen. Bei beziehungsorientierten Modellen, zu denen die private Anlageberatung zählt, wird die persönliche Beziehung weiter an Bedeutung gewinnen. KI kann diese Beziehungspflege sinnvoll unterstützen – aber nicht ersetzen. Die Assistenz kann über automatisierte Benachrichtigungen und Investitionsempfehlungen funktionieren. Kurz- bis mittelfristig wird dies zu einer Verlagerung von Jobs führen: Repetitive Arbeiten werden automatisiert und neue Arbeitsinhalte geschaffen. Natürlich vor allem im IT-Bereich, aber auch bei Dienstleistungen. Jede technologische Revolution hat diese Veränderung bewirkt.

 

Salesforce, ein führender Spezialist für Kundenbeziehungsmanagement, hat strategisch in Sie investiert. Was macht Squirro so interessant?

Die Vision von Benioff, CEO Salesforce, besteht darin, ein «System of Insight» zu erschaffen. Salesforce will nicht nur als Ablage für Kundendaten fungieren. Vielmehr soll die komplette Kundenkommunikation aktiv steuerbar werden. Dazu benötigt Salesforce Informationen aus verschiedenen Quellen, z. B. dem ERP (Warenwirtschaftssystem), der E-Mail-Korrespondenz, dem Kunden-Support oder von anderen Marktteilnehmern. Diese Daten müssen intelligent mit Salesforce verknüpft und die relevanten Erkenntnisse punktgenau den richtigen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Genau das macht Squirro und exakt dies ist für Salesforce nutzenstiftend.

 

Können Sie sich vorstellen, einmal komplett übernommen zu werden?

Eine international erfolgreiche Software-Firma in der Schweiz aufzubauen, ist sehr schwierig. Die Hindernisse für Schweizer Start-ups: Es ist kaum Risikokapital für das Software-Segment vorhanden. Auch gibt es keine lokalen «Champions » für sogenannte «Exit-Plays» (lukrative Komplettverkaufsstrategien). Die kalte Logik der Software-Industrie, deren Vertriebskosten typischerweise im Geschäftskundenbereich hoch sind, ist folglich: Früher oder später kommt es zur Übernahme. Auch für uns ist dieses Szenario realistischer als die langfristige Unabhängigkeit. Ob mir dies gefällt oder nicht, spielt keine Rolle. Eine Übernahme muss auch nicht immer schlecht sein. So ist Google Maps im Wesentlichen aus Endoxon entstanden, einer Luzerner Firma. Oder nehmen wir Adobe, heute Marktführer bei Content- Management-Software für Grossfirmen: Der Kern des Erfolgs fusst auf der Übernahme von Day, einer ehemaligen Basler Software- Schmiede. Beide Unternehmen haben nach der Übernahme ihre Schweizer Standorte deutlich ausgebaut.

 

 

Squirro- «verwandelt Daten in wirkungsvoll nutzbare Erkenntnisse»

Squirro bietet die führende Cloud-Plattform für Cognitive Insights für die umfassende Analyse unstrukturierter Daten. Auf Basis proprietärer Technologien im Bereich der künstlichen Intelligenz verwandelt Squirros «Cognitive Insights Engine» wertlose Daten in wirkungsvoll nutzbare Erkenntnisse. Squirro arbeitet mit globalen Organisationen und Unternehmen zusammen, vorwiegend in den Branchen «Finanzdienstleistungen», «Versicherungen», «Telekommunikation» und «Produzierendes Gewerbe». Kunden sind etwa Brookson, Evalueserve, Investec, Helvetia Insurance, Swiss Re oder Wells Fargo. Gegründet im Jahr 2012 ist Squirro heute mit Standorten in Zürich, München, Barcelona, London und New York vertreten.

06.06.2023 11:13:00

 

2 Kommentare

sigg fredi

12. September 2017 um 7:53 Uhr

super

sind Aktien kauf von ihrer Firma möglich..

gruss f. sigg

athens

BREITLING AGENT FOR GR CYPROS AND ALBANIA.

Dorian Selz

12. September 2017 um 20:54 Uhr

Wir sind eine privat gehaltene Firma, und unsere Aktien zur Zeit nicht handelbar.

 

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