Research: vom grossen Bild zum kleinen Rädchen im Getriebe
Dienstag, 19. Januar 2016Lesezeit: 5 Minuten
Sie kennen den Markt, verstehen die Zusammenhänge, schauen genau in die Bücher und blicken
hinter die Fassaden. Equity Analysts kennen «ihre» Unternehmen Top-down und Bottom-up –
denn eine gründliche Analyse ist die Grundlage einer erfolgreichen Anlageentscheidung.
Das Makro-Research verfolgt und analysiert volkswirtschaftliche Themen und Trends auf globaler Ebene und verdichtet diese zu Anlagestrategien. Neben den fundamentalen Treibern der Wirtschaft wie etwa dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes, den Zinsen und Wechselkursen sowie der Inflation stehen hier vor allem die Aussichten und Entwicklungen der einzelnen Branchen im Fokus.
Ziel des Mikro-Research ist die Beurteilung der Attraktivität eines Unternehmens am Kapitalmarkt. Auf Einzelbasis finden dazu umfangreiche, sehr detaillierte Analysemodelle Anwendung. Zusätzlich wird ein Vergleich mit der jeweiligen Vergleichsgruppe und dem weltweiten Kontext vorgenommen. Gemäss den Klassifizierungen am Kapitalmarkt erfolgt auch beim Research eine Unterscheidung: Das Credit Research untersucht die Attraktivität eines Investments für Fremdkapitalgeber, während sich das Equity Research mit dem Potenzial der Unternehmensaktie befasst.
Sell-Side vs. Buy-Side
Anhand der Motivation der Analyse, des Adressatenkreises und des Zugangs zu Informationen kann das Mikro-Research in zwei weitere Unterkategorien unterteilt werden: die Buy-Side und die Sell-Side.
Der Buy-Side-Analyst erstellt hausinterne Investmentempfehlungen für das Asset oder Portfolio Management. Im Vergleich zum Sell-Side-Analysten analysiert er wesentlich mehr Unternehmen. Zugunsten eines breiteren Unternehmensspektrums verzichtet er aber auf tiefer gehende Analysen einzelner Unternehmen, die er von der Sell-Side beziehen kann.
Das Research auf der Sell-Side richtet sich an institutionelle Investoren und Vermögensverwalter und wird zumeist im Auftrag des Wertschriftenhandels zur Vermarktung von Investmentideen erstellt. Im Gegensatz zur Buy-Side wird von einem Sell-Side-Analysten erwartet, dass er sich eine fundierte Meinung aufgrund eigener Modelle und Informationen erarbeitet. Dazu analysiert er die Unternehmenszahlen und nimmt direkten Kontakt mit dem Management des jeweiligen Unternehmens auf.
Berater, Wissensvermittler und Ideengeber – die Aufgaben des Sell-Side-Analysten
Der Analyst bildet die Schnittstelle zwischen dem Unternehmen, das potenzielle Investoren für sich gewinnen möchte und sich entsprechend präsentiert, und den Investoren. Um das Potenzial eines Unternehmens einschätzen zu können, sind viele Anleger auf die Informationsverarbeitung, Beratung und Handlungsempfehlung des Analysten angewiesen.
Die Aufgabe des Analysten besteht folglich in der Informationsbeschaffung, der Aufbereitung und Verarbeitung der Informationen, der Schlussfolgerung und der abschliessenden Kommunikation der Ergebnisse. Er muss verschiedene Sektoren und Unternehmen analysieren, Trends frühzeitig erkennen und zu jedem Ereignis, das eines der von ihm abgedeckten Unternehmen betrifft, eine Neueinschätzung liefern können.
Durch die Beobachtung der Medien und öffentlich zugängliche Informationen verschafft sich der Analyst einen Überblick. Um detaillierte Angaben und Einblicke zu erhalten, kontaktiert er direkt das Management des jeweiligen Unternehmens. Die so erhaltenen Informationen werden ausgewertet und die gewonnenen Ergebnisse anschliessend den Adressaten verfügbar gemacht. Die Kommunikation erfolgt sowohl im direkten Kundenkontakt durch Vorträge und Interviews als auch durch die schriftliche Bereitstellung der Ergebnisse in Form von Studien, Notes und Präsentationen. Zusätzlich vermarktet der Sell-Side-Analyst seine Ideen auf exklusiven Events und Roadshows.
Bei sogenannten Analysten-Roadshows werden die künftige Entwicklung von Sektoren und Unternehmen sowie die damit verbundenen finanzwirtschaftlichen Implikationen mit Portfoliomanagern und Analysten der Buy- Side diskutiert. Bei Corporate-Roadshows werden Unternehmen vermarktet, die der Analyst abdeckt und betreut, und dadurch der Kontakt zwischen Unternehmen und Investor hergestellt. Die Arbeit des Research richtet sich nicht nur an externe Kunden, sondern dient auch hausinternen Einheiten. Letztendlich ist das Ziel des Research, zu einem Mehrwert der Kundenportfolioperformance beizutragen und durch die Vergabe guter Titelempfehlungen die hauseigene Handels- und Verkaufstätigkeit zu fördern.
Ein Tag im Leben eines Vontobel-Sell-Side-Analysten
Der Tag eines Analysten zum Beispiel bei Vontobel beginnt früh. Bereits um 7.00 Uhr informiert er sich über die neusten Ereignisse, vergleicht sie mit seinen Erwartungen und veröffentlicht seine Erkenntnisse anschliessend in einem täglichen Research-Update – der sogenannten Morning Note.
In der morgendlichen Sitzung um 8.00 Uhr informiert er interne Einheiten wie das Private Banking und die Asset Manager über seine Investment-Empfehlungen. Nach der Erfüllung der morgendlichen Routine widmet sich der Analyst seinem Tagesgeschäft, der Erstellung von Anlageempfehlungen, Handlungsanweisungen und Investment-Cases. Dazu kontaktiert er die von ihm betreuten Unternehmen, sammelt Informationen, verfasst Studien, informiert Kunden des Research und nimmt an Meetings und Konferenzen teil.
Ein wichtiger Bestandteil des Analystenalltags ist die Vermarktung. Zum einen gehört es zur Aufgabe des Analysten, das Management der von ihm betreuten Unternehmen in Kontakt mit potenziellen Investoren zu bringen. Dies geschieht vor allem anlässlich der Publikation von Quartalsergebnissen oder Börsengängen (IPO). Im Zusammenhang mit der Sales-Force kommt der Selbstvermarktung des Research eine grosse Bedeutung zu: Ziel ist, sich durch das bestmögliche Research von der Konkurrenz abzuheben und damit Kunden für den hauseigenen Wertschriftenhandel zu gewinnen.
Wie gut das Research eines Analysten ist, kann objektiv daran gemessen werden, wie genau seine Einschätzungen zutreffen und wie gut die Performance seiner Empfehlungen ist. Zusätzlich wird meist eine Umfrage zur subjektiven Kundenmeinung durchgeführt.
Der Weg von der Information zur Bewertung
Aktienanleger investieren in die Aktie eines Unternehmens, nicht in das Unternehmen selbst. Entsprechend geht es bei der Aktienanalyse nicht ausschliesslich um die Bewertung eines Unternehmens, sondern auch darum zu evaluieren, inwiefern der Kurs einer Aktie den Wert des Unternehmens widerspiegelt und welches Potenzial die Aktie besitzt. Die Aktienanalyse ist keine exakte Wissenschaft und jede Bewertungsmethode hat ihre Vor- und Nachteile. Deshalb steht dem Analysten zur Beantwortung der Fragen eine Fülle von Bewertungsverfahren zur Verfügung und es ist ratsam, ein breites Spektrum verschiedener Kriterien zu verwenden.
Die Bewertung einer Unternehmensaktie erfolgt sowohl einzeln anhand absoluter Kennzahlen als auch im relativen Vergleich zur jeweiligen Vergleichsgruppe. Die dazu verwendeten Kennzahlen werden «Multiples» genannt. Dazu zählen die Dividendenrendite, die Eigenkapitalrendite sowie der Aktienkurs im Verhältnis zum Gewinn (KGV), das Gewinnwachstum und der Unternehmenswert im Verhältnis zum Gewinn vor Zinsen, Steuern, Schuldendienst und Abschreibungen (EV/EBITDA). Diese «Multiples» helfen dabei, ein erstes Gefühl für die «faire Bewertung» einer Aktie zu bekommen. Allerdings sind «Multiples» zeitpunktbezogen und weisen keine bedeutende Korrelation mit der zukünftigen Entwicklung des Aktienpreises aus. Um einen Ausblick auf die mögliche Wertentwicklung zu erhalten, müssen weitere Bewertungsmodelle herangezogen werden.
Das wichtigste Modell zur absoluten Bewertung eines Unternehmens ist die «Discounted Cashflow»-Methode (DCF). Die Standardisierung der Bewertungsmodelle ermöglicht einen einfachen Gebrauch und eine gute Vergleichbarkeit. Um die Wertentwicklung einer Aktie möglichst genau prognostizieren zu können, fliessen neben den buchhalterischen Zahlen weitere ergänzende Kriterien in die Bewertung ein. Als einige der wichtigsten Faktoren erachten die Vontobel-Analysten hierbei das Geschäftsmodell, die Qualität des Managements und das Verständnis dafür, welche Ziele die Unternehmensleitung mit welchen Mitteln verfolgt. Weitere Kriterien sind die Prognostizierbarkeit der Gewinne, die Marktliquidität und die Marktpositionierung. Aus all diesen Faktoren leitet der Analyst schlussendlich eine Kauf- oder Halteempfehlung ab. Gegebenenfalls kann er auch zur Reduktion der Aktie raten.
Trotz aller Modelle erfolgt die abschliessende Bewertung durch den Analysten ohne Garantie. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein Analyst mit seiner Einschätzung zwar richtigliegt, die Kursbewegung allerdings durch einen ganz anderen Faktor ausgelöst wird als erwartet.
Analyst – ein Job mit Spannung
Im Gegensatz zum eher langfristig ausgerichteten Research der Buy-Side wird von einem Sell-Side-Analysten erwartet, dass er seine Einschätzung fortlaufend aktualisiert. Das kurzfristige Performance-Denken kann dabei mit der langfristigen Fundamentaleinschätzung eines Unternehmens in Konflikt geraten.
Das Vontobel Equity Research versucht diesen Konflikt zwischen kurzfristiger eventbezogener Bewertungsanpassung und der langfristigen Perspektive eines Unternehmens so gering wie möglich zu halten. Bei Vontobel werden dazu «Pocket Guides» veröffentlicht, die eine komprimierte Beschreibung des zugrunde liegenden Investment-Cases darstellen. Das aktuelle Tagesgeschehen sowie kurzfristige Effekte werden in den täglich veröffentlichten «Morning Notes» kommentiert.
Vom Allgemeinen zum Speziellen
Mit derzeit rund 120 Unternehmen, einschliesslich aller Gesellschaften des SMI®, SLI® und SMIM®, bietet das Vontobel Aktien Research das weltweit umfangreichste Knowhow im Bereich Schweizer Unternehmen. Trotz des Fokus auf Schweizer Titel verfolgt das Research-Team auch alle relevanten internationalen Konkurrenten. Dadurch erhält es einen breiteren Überblick und ein besseres Verständnis für das Umfeld. Die Teammitglieder kennen die Branchen der Unternehmen, ihre Zulieferer und Vertriebspartner. Viele der Analysten stammen ursprünglich sogar selbst aus dem Geschäftszweig der von ihnen betreuten Unternehmen und können ein Studium im entsprechenden Fachgebiet vorweisen. Sie organisieren mehr als 200 Roadshows pro Jahr und wissen dank langjährigem Kontakt zum Management der Unternehmen, wie sie dessen Aussagen interpretieren müssen. In den vergangenen Jahren hat das Vontobel-Research-Team diverse Auszeichnungen von «Institutional Investor» und «Thomson Extel» erhalten.
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