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Pharmakonzerne auf Einkaufstour

8. Aug. 2022 | 4 Minuten

In unzähligen Laboren, Gesundheitseinrichtungen und an Schreibtischen wird an neuen Medikamenten geforscht oder bestehende Behandlungsmöglichkeiten verbessert. Grosse Pharmakonzerne verfügen meist über ein etabliertes Produktportfolio, welches im Laufe der Zeit durch neue Medikamente ersetzt werden muss. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von neuen therapeutischen Ansätzen nimmt die Biotechbranche ein. Der Forschungs- und Entwicklungsprozess verursacht hohe Kosten und eine Aussicht auf Erfolg ist schwer abzuschätzen.

Der Gesundheitssektor ist ein Wirtschaftszweig, der viel Wertschöpfung erbringt und weltweit als Wachstumsmarkt gilt. Gestützt wird diese Entwicklung durch mehrere Faktoren. Einerseits führt die demografische Entwicklung zu neuen Bedürfnissen und dementsprechend sind neue Lösungsansätze gefragt. In vielen Industrieländern ist die Alterung der geburtsstarken Jahrgänge ein zentrales Thema, während das Bevölkerungswachstum Entwicklungsländer beschäftigt. In Verbindung mit zunehmendem Wohlstand und diesbezüglich veränderter Lebensweise steigt die Häufigkeit und Diagnose von Krankheiten wie Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Durch neue oder verbesserte Behandlungsansätze lassen sich Krankheiten früher und besser behandeln. Einerseits verbessern solche Entwicklungen die Gesundheit und das Wohlbefinden von Betroffenen, andererseits bieten Innovationen die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren.

Wichtige Bereiche im Gesundheitsmarkt sind die Biotechnologie (Biotech), die Pharmazeutik sowie die Medizinaltechnik und Diagnostik.

Die Biotechbranche beschäftigt sich mit der Entwicklung und Herstellung von Enzymen, Proteinen, Antikörpern und weiteren Wirkstoffen für medizinische und andere Zwecke. Daraus können neue Medikamente hervorgehen, welche zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können. Im Unterschied zur Pharmabranche haben Biotech-Produkte eine biologische Basis, anstatt einer Chemischen.

Schwieriges Börsenumfeld

Seit Jahresbeginn haben die wichtigsten Börsenindizes einen Rückgang verzeichnen müssen. Themen, die die Finanzmärkte momentan beschäftigen, sind der Konjunkturausblick, die Inflationsentwicklung sowie die Geldpolitik der Noten- und Zentralbanken. Weltweit befinden sich die Inflationszahlen auf einem hohen Niveau, weshalb die Noten- und Zentralbanken Leitzinsenerhöhungen beschlossen haben und weitere Anhebungen in Aussicht stellen.

Steigende Zinsen haben Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung. In der Theorie besteht der heutige Unternehmenswert aus den Erträgen in der Zukunft. Dabei werden die zukünftigen Erträge diskontiert, um den Wert dieser Erträge zum heutigen Zeitpunkt zu ermitteln. Der Zins ist einer der Bestandteile des Diskontsatzes, wobei höhere Zinsen zu einem tieferen Wert der zukünftigen Erträge führen und somit die Unternehmensbewertung reduzieren.

Besonders empfindlich auf Zinsänderungen reagieren Unternehmen, die den Grossteil ihrer Erträge in der Zukunft erwarten. In einer solcher Situation befinden sich Wachstumsunternehmen, die oftmals in der breiten Technologie aber auch in der spezialisierten Biotech-Branche anzutreffen sind.

Entwicklung eines Medikaments ist langwierig und kostenintensiv

Die Ertragsverteilung kann am Beispiel von jungen Biotechunternehmen aufgezeigt werden, die noch keine Produkte auf dem Markt haben. Der Forschungs- und Entwicklungsprozess (F&E Prozess) dauert mehrere Jahre und durchläuft verschiedene Phasen. Diese Phasen verursachen hohe finanzielle Kosten , und entsprechend zu Verlusten führen, falls den Ausgaben keine oder nur kleine Erträge gegenüberstehen. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht, daher nehmen Biotechunternehmen ein erhöhtes Risiko in Kauf.

Der Prozess von der Idee bis zur ersten Zulassung eines Arzneimittels dauert lange. Je nach Quelle wird eine ungefähre Dauer von 10 bis 15 Jahren genannt. Interpharma, ein Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, gibt beispielsweise einen Durchschnitt von 12 Jahren und Kosten von 2.6 Milliarden Schweizer Franken an. Von 10'000 untersuchten Substanzen schaffen es nur 10 in die klinische Phase, wovon nur eine Substanz als Medikament auf den Markt gelangt (Interpharma). Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den langwierigen Prozess eines möglichen Wirkstoffkandidaten.

Deckung des Kapitalbedarfs

Diese intensive F&E Tätigkeit verursacht hohe Kosten. Ein etablierter Pharmakonzern mag diese Kosten durch die Erträge aus bereits existierenden Produkten leichter stemmen können. Für Unternehmen, die nicht auf eine solche Finanzstärke zurückgreifen können, muss das benötigte Kapital anderswertig beschaffen werden. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, um an die finanziellen Mittel zu gelangen.

Ein Unternehmen kann über die Kapitalmärkte Schulden oder Eigenkapital durch die Aktionäre aufnehmen. Alternativ können Partnerschaften mit etablierten Pharmakonzernen eingegangen werden, worauf Lizenzgebühren vereinbart werden. Andererseits kann eine komplette Übernahme einer Biotechfirma in Frage kommen. Grosse Pharmakonzerne können mit Übernahmen ihre zukünftige Produktpipeline erweitern und zudem neue Therapiegebiete erschliessen.

Befindet sich ein Medikament auf dem Markt, ist es durch Patente für eine gewisse Zeit geschützt. Läuft dieser Schutz aus, kann die Erfindung ohne Erlaubnis des Patentinhabers von jemand anderem kommerziell genutzt werden. Ebenfalls können in der Zwischenzeit neue Therapiemöglichkeiten auf den Markt gelangen, die eine bessere Behandlung erlauben und somit das wirtschaftliche Potenzial eines bereits existierenden Medikaments schmälern.

Zeitpunkt für Übernahmen?

In einem Börsenumfeld, das von Ungewissheit geprägt ist, neigen Investoren tendenziell dazu, ihre Risikobereitschaft zu reduzieren. Da sich Biotechunternehmen in einem Gebiet bewegen, welches durch den F&E-Prozess von Unsicherheit geprägt ist, bleiben Investoren vor risikobehafteten Anlagen vorsichtig.

Seit Anfang dieses Jahres wurden schon einige Übernahmen durch grosse Pharmakonzerne bekanntgegeben. Die bisher grösste Verpflichtung hat Pfizer mit der Übernahme von «Biohaven Pharmaceuticals» für 11.6 Milliarden US-Dollar angekündigt. Biohaven ist auf die Behandlung von Migräne spezialisiert. Ein weiteres Geschäft hat Brystol Myers Squibb (BMS) mit der Akquisition von «Turning Point Therapeutics» für 4.1 Milliarden US-Dollar getätigt. Damit erhält BMS Zugang zu einer Pipeline von Krebsmedikamenten. Der britische Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK) hat für 2.1 Milliarden US-Dollar Affinivax übernommen, wobei eine erfolgsabhängige Zahlung von 1.2 Milliarden US-Dollar noch folgen könnte. Mit diesem Schritt erweitert GSK die Pipeline um weitere Impfstoffe.

Die Biotechbranche trägt dazu bei, neue, innovative Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Der F&E-Prozess ist sowohl lang- als auch kostspielig und die Entwicklung eines erfolgreichen Wirkstoffes nicht garantiert. In der Regel fallen erste Erträge für kleinere Biotechunternehmen in der Zukunft an, wobei solche Unternehmen besonders empfindlich auf das aktuelle Börsenumfeld mit steigenden Zinsen reagieren. Grössere Pharmakonzerne können mit einer Übernahme eines Biotechunternehmens das Produkteportfolio ergänzen und mit ihrer Kapitalausstattung das neue Geschäft finanzieren.

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