«Industrie 4.0 könnte den E-Commerce-Markt übersteigen»

Montag, 29. Februar 2016Lesezeit: 3 Minuten

 

Thomas Rappold

Investment Advisor, Unternehmer und Buchautor («Silicon Valley Investing»)

Bereits mit 14 Jahren erlernte er Programmiersprachen im Selbststudium auf dem Commodore C64. Als einer der frühesten Absolventen des europaweit ersten Studienganges Medieninformatik trug er später durch seine Mitarbeit in der Strategiegruppe Internet bei Allianz SE massgeblich zur Entwicklung bahnbrechender neuer Finanzportale für Privat- und Geschäftskunden bei. Seit über zehn Jahren ist Rappold erfolgreicher Geschäftsführer einer Internet- Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft und Gründer zahlreicher Internet-Start-ups. Mehr über Thomas Rappold unter www.silicon-valley.de.

 

derinews: «Software is eating the world» lautet das Mantra im Silicon Valley. Sind nun Daten die Treiber des Maschinenbaus und der Robotik?

Daten sind das «Öl des 21. Jahrhunderts». Der Netzwerkausrüster Cisco erwartet bis 2019 eine Vervierfachung des weltweiten Datenvolumens auf 8,6 Zettabyte pro Jahr - eine acht mit 21 (!) Nullen. Verantwortlich dafür ist das starke Wachstum intelligenter, miteinander vernetzter Geräte. Im Jahr 2020 soll es bis zu 50 Milliarden davon geben. Nahezu jedes Gerät hat künftig Sensoren, die mittels Software über eine Schreib/Lese- Intelligenz verfügen und ständig in der Lage sein werden, aktuelle Daten zu kommunizieren. Big Data Analytics und künstliche Intelligenz verarbeiten die Daten, sodass Roboter und Maschinen sich autonom bewegen und in Partnerschaft mit Menschen, zum Beispiel im Pflegebereich, eingesetzt werden. In den datenbasierten Zusatz-Services steckt das lukrative Geschäft der Zukunft.

 

derinews: Weshalb spricht man in den USA vom «Internet der Dinge» und im deutsch- sprachigen Europa von «Industrie 4.0»

Die Amerikaner fassen den Begriff weiter, aber auch diffuser und beziehen zudem intelligente Fitnessarmbänder ein. Insofern tun Deutschland und die Schweiz gut daran, ihre Stärken im Bereich Robotik und Automatisierungstechnik mit dem eigenen Begriff «Industrie 4.0» zu belegen und voranzutreiben. Das funktioniert so gut, dass auch China und Japan die deutschsprachige Begrifflichkeit übernommen haben.

 

derinews: Warum ist Industrie 4.0 mehr als nur Smart Factory?

Es geht hier um nicht weniger als die komplette Digitalisierung sämtlicher Wertschöpfungsketten. Dabei spielen neue Technologien wie «Virtual Reality»-Systeme in der Entwicklung, 3D-Druck in der Produktion und Drohnen in der Logistik eine zentrale Rolle. Dementsprechend hoch ist der Handlungsbedarf für die deutsche und Schweizer Industrie: Man muss schnell vom Silicon Valley lernen und in neuen digitalen Geschäftsmodellen, vor allem stärker in Softwarezentrierten App- und Cloud- Diensten, denken.

 

derinews: Industrie 4.0 − Jobkiller oder Wohlstandsmehrer?

Mitte Januar wurde am World Economic Forum in Davos eine neue Studie veröffentlicht, wonach sich die Automatisierung zu einem Jobkiller auswirken werde. Fünf Millionen Arbeitsplätze sollen demnach wegfallen. Ich teile diese Einschätzung nicht. Deutschland hat die weltweit dritthöchste Roboterdichte. Trotzdem hat es einen neuen Beschäftigungsrekord aufgestellt und immer noch eine Million offene Stellen.

 

derinews: Welche Segmente repräsentiert der Trend?

Aus meiner Sicht handelt es sich bei den grössten Profiteuren um Unternehmen der Segmente Automatisierung, Robotik, Sensorik, Software- und Datendienstleister, Maschinen- und Anlagenbau sowie Ingenieurdienstleister.

 

derinews: Mit welchem Umsatz- und Wertschöpfungspotenzial ist zu rechnen?

Gerade deutsche und Schweizer Unternehmen können von Industrie 4.0 enorm profitieren. Allein in Deutschland rechnen die Analysten von PwC mit einem Zuwachs von 30 Milliarden Euro für digitalisierte Produkte und Services. Jeffrey Immelt, CEO von General Electric, geht von einem weltweiten Markt von 200 Milliarden Dollar aus; das würde den E-Commerce-Markt übersteigen!

 

derinews: Wer sind die Profiteure am Aktienmarkt?

Bekanntlich können Anleger mit Nischenplayern, Hidden Champions, in einem Block- Buster-Markt wie Industrie 4.0 am stärksten profitieren. Dazu gehören Bertrandt, ein führender deutscher Ingenieurdienstleister, Dassault Systèmes, ein tonangebendes französisches 3D-Design-Software-Unternehmen, und Keyence, ein japanischer Weltmarktführer in der Sensorik. Alle drei sind Teil der Startzusammensetzung des Industry 4.0 Performance-Index.

 

derinews: Welche Bedeutung hat Cyber-Security für Industrie 4.0?

Als Investmentberater begleite ich ebenfalls den Cyber Security Performance-Index, und was ich sagen kann, ist, dass beide Themen fast wie «siamesische Zwillinge» zusammenhängen. Ohne Cyber-Security-Lösungen wären vernetzte Produktionsprozesse der Industrie 4.0 undenkbar. Dementsprechend führen steigende Investitionen in Industrie- 4.0-Lösungen nahezu automatisch auch zu Umsatzwachstum bei Cyber-Security-Unternehmen.

 

derinews: Wie weitreichend sind Ihre Erfahrungen mit Industrie 4.0?

Im Industry 4.0 Performance-Index steckt viel von meinem Herzblut – und meine ganze Expertise: Schon mit 16 Jahren habe ich am Technischen Gymnasium Roboter programmiert. Nun habe ich meine berufliche Erfahrung in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle, Big Data, Security und Robotics für die Zusammenstellung des Index in die Waagschale geworfen.

 

27.09.2023 10:42:16

 

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