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Im Bausektor bleibt kein Stein auf dem anderen

14. Okt. 2022 | 5 Minuten

Der Bausektor ist ein wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft. Es wird laufend neue Infrastruktur benötigt und bestehende Bauten müssen Unterhalten werden. Auch zwei Schweizer Unternehmen mischen international mit. Der Bauchemikalien- und Klebstoffproduzent Sika hat im vergangenen Jahr eine grössere Übernahme eingeleitet. Derweil ist Holcim bestrebt, die Abhängigkeit vom CO2 intensiven Zementgeschäft zu reduzieren, was der Konzern bereits mit mehreren Übernahmen bekräftigt hat.

Baubranche als wichtiger Industriezweig

Ein Industriezweig, der nahezu in jedem Land eine wichtige Rolle spielt, ist die Baubranche. Gemäss dem Beratungsunternehmen Deloitte war die Baubranche im vergangenen Jahr für Umsätze in der Höhe von rund 7.3 Billionen US-Dollar verantwortlich. Wird dies zur weltweit geleisteten Wirtschaftsleistung (gemessen am BIP) verglichen, ergibt dies einen Anteil von knapp 7.5% (Weltbank, 2022). Schätzungen gehen davon aus, dass die Umsätze des Sektors bis 2030 auf 14.4 Billionen US-Dollar heranwachsen könnten (Deloitte, 2022).

Zudem beschäftigt die Branche viele Arbeitnehmer. In der Schweiz sind rund 340'000 Personen im Baugewerbe tätig, was ungefähr 8% der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht (BFS, 2022). In den USA liegt dieser Wert bei ungefähr 5%, in der Eurozone bei rund 6.6%.

Langfristige Wachstumsperspektiven intakt

Die Wachstumsaussichten werden von mehreren Faktoren getragen. In Schwellenländern ist die Nachfrage nach Infrastruktur gross. Das Bevölkerungswachstum, der zunehmende Wohlstand und die Urbanisierung treiben die Nachfrage nach Infrastruktur für Wohnraum, Verkehr, Bildung, Wasserversorgung, Kanalisation, Arbeitsplätze voran.

In Industrieländern spielt die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Die Verwendung von nachhaltigeren Baustoffen senkt den CO2-Ausstoss. Beispielsweise ist die Zementindustrie für etwa 8% des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich. Ein weiterer Faktor ist das Bestreben, den Anteil erneuerbarer Energien am derzeitigen Energiemix deutlich zu steigern. Der Bau dieser Anlagen erfordert erhebliche Investitionen, weshalb etliche Länder finanzielle Unterstützung versprochen haben. Neben dem Bau neuer Infrastruktur beschert auch der Unterhalt von bestehender Infrastruktur wiederkehrende Einnahmequellen.

Konjunkturempfindlich

Zurzeit ist die Wirtschaftslage angespannt. Nach einer längeren Abwesenheit ist die Inflation wieder zurückgekehrt. Um der Inflation entgegenzuwirken und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu reduzieren, haben die Zentral- und Notenbanken beschlossen, die Leitzinsen zu erhöhen.

Auch an der Baubranche geht die aktuelle Lage nicht spurlos vorbei. Für die Bautätigkeit ist die Inflation besonders bei den Preisen für Rohstoffen und Energie spürbar. Idealerweise können diese Preissteigerungen weitergebenen werden, was aber meist mit Verzögerung geschieht.

Als direkte Konsequenz der Zinserhöhungen sind auch die Finanzierungskosten gestiegen, was u.a. dazu führt, dass vorerst nicht alle geplanten Bauprojekte umgesetzt werden. Auch Privatpersonen sind gefordert, weil die Hypothekarzinsen höher liegen und der Erwerb eines Eigenheims somit schwieriger geworden ist.

Sika auf Einkaufstour

Der Bauchemikalien- und Klebstoffproduzent Sika ist mit über 300 Produktionsstandorten in 101 Ländern aktiv und damit Marktführer im Bereich der Bauchemie. In den letzten Jahren konnte der Konzern ein anschauliches Wachstum vorzeigen. So beträgt das jährliche Umsatzwachstum der letzten 10 Jahre rund 6.7%. Dazu beigetragen haben auch 47 Akquisitionen, die in dieser Zeitspanne vollzogen wurden. 2019 erfolgte die Übernahme des Mörtelherstellers «Parex», dessen Umsatz während dieser Zeit 1.2 Milliarden Franken betrug. Mit der Integration von Parex verdoppelte sich der Umsatz im strategisch wichtigen Mörtelsegment. Dabei erhält Sika Zugang zu einer Vielzahl Vertriebskanäle, die u.a. in China über 90'000 Verkaufspunkte verfügen. Der Kaufpreis betrug rund 2.5 Milliarden, was damals die grösste Übernahme in der Firmengeschichte war. Disclaimer: Vergangene Unternehmenszahlen sind keine verlässliche Indikatoren für die künftige Wertentwicklung.

Am Ende des letzten Jahres wurde dann bereits eine weitere, grosse Übernahme angekündigt. Für einen Betrag von 5.5 Milliarden Franken soll das ehemalige Bauchemiegeschäft von BASF mit dem Namen «MBCC» übernommen werden. MBCC ist mit über 130 Standorten in über 60 Ländern vertreten und erwirtschaftete 2021 einen Umsatz von 2.9 Milliarden Franken. Aus strategischer Sicht passt die Übernahme, weil es Sikas Portfolio in sieben von acht Zielmärkten ergänzt. Der Abschluss der Akquisition wird für das erste Halbjahr 2023 erwartet. Aufgrund von Überprüfungen durch mehrere Wettbewerbsbehörden müssen einige MBCC-Geschäfte im Bereich Betonzusätze verkauft werden. Insgesamt summiert sich der Umsatz dieser zum Verkauf stehenden Einheiten auf rund 850 Millionen Franken. Somit sollten drei Viertel des ursprünglichen MBCC-Umsatzes bei Sika bleiben.

Strategie zielt auf Umsatzwachstum und höhere Profitabilität ab

Mit der «Wachstumsstrategie 2023» wurde 2019 eine neue Unternehmensstrategie entwickelt und eingeführt. Wachstum soll insbesondere aus dem Fokus auf Innovation, Marktdurchdringung und Akquisitionen resultieren. In Bezug auf die Finanzziele wurde ein jährliches Umsatzwachstum von 6 bis 8% und eine operative Marge zwischen 15 bis 18% kommuniziert. Seit Einführung der Strategie konnte das angestrebte Umsatzwachstum erfüllt werden, während die operative Marge erstmals im vergangenen Geschäftsjahr und erneut im letzten Halbjahr im Bereich der Zielspanne lag.

Anfang Oktober hielt Sika einen Kapitalmarkttag ab und ging dabei auf die aktuelle Strategie ein. Das Wachstum soll demnach durch die Nachfrage in Schwellenländern, wiederkehrende Erträge durch Reparaturen und Sanierung, Infrastrukturprogramme sowie der Erholung im Automobilsektor fortgesetzt werden. Auch in Punkto Nachhaltigkeit sollen Sikas nachhaltige Lösungen und Innovationen eine wichtige Rolle zur Reduktion des hohen CO2-Ausstosses im Bauwesen spielen.

Zudem wurde die Prognose für das laufende Geschäftsjahr erhöht. Neu stellt Sika ein Umsatzwachstum von 15% in Lokalwährungen (bisher 10%) in Aussicht. In diesem Jahr wird erstmals ein Umsatz über 10 Milliarden Franken prognostiziert. Ausserdem soll der operative Gewinn (EBIT) überproportional ansteigen, da die höheren Produktionskosten mittels Preiserhöhungen erfolgreich weitergereicht werden können.

Holcim befindet sich im Wandel

Die Kerntätigkeit von Holcim war bis anhin das Zementgeschäft. Allerdings setzt der Bau, Betrieb und Unterhalt von Zementwerken hohe Investitionssummen voraus. Angesichts der hohen Kapitalbindung hat sich Holcim entschieden, den Beitrag des Zementgeschäfts zu reduzieren und den Fokus auf andere Bereiche zu legen.

Der derzeitige CEO, Jan Jenisch, trat 2017 seine Stelle an, nachdem er 5 Jahre lang in gleicher Position Sika leitete. Kurz nach seinem Antritt wurde eine neue Strategie vorgestellt, die bis 2022 den Fokus auf Wachstum, Vereinfachung und finanzielle Stärke legt. Diese Strategie wurde letztes Jahr vorzeitig durch die Strategie 2025 abgelöst, da die gesetzten Ziele bereits erfüllt wurden. Mit dem neuen Strategiezyklus bis ins Jahr 2025 möchte sich Holcim als weltweit führender Anbieter von innovativen und nachhaltigen Baulösungen positionieren.

Weniger Abhängigkeit vom Zementgeschäft

Das Segment Lösungen & Produkte bis 2025 einen Umsatzanteil von 30% erreichen. Im ersten Halbjahr lag der Anteil bei 18% und ein Jahr zuvor bei 8%. In diesem Segment werden integrierte Lösungen und Systeme für den Bau und die Energieeffizienz angeboten sowie für Unterhalt und Sanierung. Dazu gehört auch der Bedachungs-Bereich, denn Holcim im letzten Geschäftsjahr mit der Übernahme von «Firestone Building Products» für einen Preis von 3.4 Milliarden US-Dollar gestärkt hat. Firestone erzielte 2020 einen Umsatz von 1.8 Milliarden US-Dollar.

Die finanziellen Ziele der neuen Strategie setzen ein organisches Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent und einen wiederkehrenden operativen Gewinn von mindestens 7% voraus. Ausserdem soll das Verhältnis von Nettoverschuldung zu EBITDA im Jahr 2025 unter 1.5 bleiben, was im letzten Geschäftsjahr mit einem Wert von 1.4 erfüllt wurde.

Holcim ist aktiv dabei, die Abhängigkeit vom Zementgeschäft zu reduzieren. So wurden bereits mehrere grössere Geschäftsteile veräussert. Anfang September wurde der Verkauf des Brasilien-Geschäfts für rund eine Milliarde US-Dollar vollzogen. Am indischen Markt war Holcim mittels zwei Beteiligungen vertreten. Mit dem Verkauf dieser Beteiligungen für rund 6.4 Milliarden US-Dollar hat sich Holcim nun davon getrennt.

Finanzielle Mittel werden reinvestiert

Die Verkaufserlöse nutzt Holcim u.a. für Übernahmen, hauptsächlich im Bereich Lösungen & Produkte. Im laufenden Geschäftsjahr wurden bereits 11 Übernahmen angekündigt. Darunter befinden sich Hersteller von Dachmaterialien, Dämmstoffen, Bodenbelägen oder Bauchemie. Der Bereich Lösungen & Produkte bindet weniger Kapital und erlaubt einen effizienteren Umgang mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Ausserdem können höhere Margen erzielt werden. Neben den finanziellen Überlegungen hat dieses Vorhaben einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeitsaspekte des Konzerns. Da das Zementgeschäft sehr CO2 intensiv ist, führt der Verkauf einzelner Teile zu einer Verbesserung der Klimabilanz.

Im ersten Halbjahr legte das organische Umsatzwachstum um 12.7% zu. Angesichts dieser Entwicklung wurde der Umsatzausblick für das laufende Geschäftsjahr von 8 auf mindestens 10% erhöht. Die operative Gewinnmarge betrug 5.7%. Demnach lag das Umsatzwachstum über und die operative Gewinnmarge leicht unter den Finanzzielen der Strategie 2025.

Fazit

Das zukünftige Wachstum im Baugewerbe wird von mehreren Megatrends begleitet. Die Urbanisierung, der Klimawandel und die Ressourcenknappheit, der demografische Wandel und das Bevölkerungswachstum stützen den Bedarf nach geeigneter Infrastruktur.

Sika ist gerade mit der Übernahme des Bauchemieunternehmens MBCC beschäftigt, welches nach der Integration einen Umsatz von rund zwei Milliarden Franken beitragen dürfte. Aus operativer Sicht konnten die Umsatzziele und die operative Marge im ersten Halbjahr erfüllt werden. Zudem erhöhte Sika die Wachstumsprognose und erwartet einen neuen Umsatzrekord für das laufende Geschäftsjahr.

Seit dem letzten Jahr verfolgt Holcim einen neuen Strategiezyklus. Dabei soll die Abhängigkeit vom kapitalintensiven Zementgeschäft reduziert und durch den Fokus auf den Ausbau des Bereichs Lösungen & Produkte kompensiert werden. Dieser Ausbau erfolgt u.a. durch Übernahmen, welche Holcim mit den Verkaufserlösen aus Veräusserungen finanziert. Zuletzt spülte der Verkauf der indischen Beteiligungen 6.4 Milliarden US-Dollar in die Kassen ein. Anlässlich der Halbjahreszahlen wurde der Umsatzausblick angehoben. Ausserdem erwirtschaftete Holcim 18% der Umsätze im Bereich Lösungen & Produkte und nähert sich somit schrittweise dem Ziel von 30% bis 2025.

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