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Erleichterung in Übersee

6. Juni 2023 | 3 Minuten
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In den letzten Wochen dominierte das Thema der US-Schuldobergrenze die Schlagzeilen. Obwohl dieses Szenario in der Vergangenheit schon unzählige Male vorkam, lag trotzdem ein Hauch von Unsicherheit in der Luft. Nun hat sich die Politik geeinigt und ermöglicht es dem Finanzministerium, frisches Geld aufzunehmen.

Die USA ist die grösste Wirtschaftsmacht und zeitgleich auch die am höchsten verschuldete, wenn man die absoluten Zahlen berücksichtigt. Verschuldung in absoluten Zahlen ist nicht per se etwas Negatives, sondern muss bei der Gegenüberstellung verschiedener Weltwirtschaften in Relation gesetzt werden. Oftmals wird der Vergleich mittels Wirtschaftsleistung in Form des Bruttoinlandprodukts (BIP) gemacht, was als Staatschuldenquote bezeichnet wird. Hier weist die USA ein Wert von 144% auf, verglichen mit 39% für die Schweiz und 77% für Deutschland.

Verschuldung BIP

Schuldenobergrenze - alle Jahre wieder

In der amerikanischen Verfassung wird festgehalten, wie hoch die Verschuldung sein darf. Zuletzt lag diese Grenze bei 31.4 Billionen US-Dollar. Seit 1960 hat der US-Kongress bereits 79-mal die Obergrenze angepasst. Letztmals wurde die Grenze Mitte Januar erreicht. Als Konsequenz kann die Regierung keine neuen Schulden aufnehmen, um ausstehende Rechnungen zu zahlen. Mithilfe von ausserordentlichen Massnahmen konnte diese ungünstige Situation einige Monate überbrückt werden.

Bleibt es nach dieser Frist so, dass die Verpflichtungen nicht mehr finanziert werden können, droht ein Zahlungsausfall. Obwohl die Schuldenobergrenze bereits unzählige Male erreicht wurde, konnte sich die Politik immer auf eine Erhöhung einigen. Dementsprechend hat in der Geschichte der Vereinigten Staaten bisher noch nie ein Zahlungsausfall stattgefunden.

Politischer Spielball

Eine Eigenheit der USA liegt darin, dass das Parlament über die Ausgaben entscheidet und die dafür nötige Verschuldung bewilligen muss. Seit 1970 lagen die jährlichen Staatseinnahmen nur viermal über den Ausgaben, dies in den Jahren 1998 bis 2001. Demnach resultiert das Staatsbudget meistens in einem Defizit und führt zu einer steigenden Verschuldung. Damit sich das Parlament auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze einigt, werden zwischen den Parteien Kompromisse gesucht und Ausgabenposten neu verhandelt.

Einerseits ist es naheliegend, dass die Parteien Ausgabenposten reduzieren möchten, um das Budgetdefizit zu reduzieren und der Verschuldung Grenzen zu setzen. Andererseits wird die Schuldenobergrenze zu einem politischen Druckmittel, besonders wenn das Budget von der anderen Partei erstellt wurde.

Während die Republikaner sich zum Ziel setzten, die Ausgaben zu begrenzen, wollten die Demokraten (die regierende Partei) ihre zentralen Initiativen durchsetzen. Die Republikaner bekamen insofern, was sie forderten, indem die Ausgaben für 2024 gleich bleiben und im darauffolgenden Jahr um 1% steigen dürfen. Davon ausgenommen sind die Verteidigungsausgaben, die stärker steigen dürfen. Die Demokraten konnten Anpassungen der Sozialleistungen verhindern und Steuergutschriften für die Installation erneuerbarer Energien verteidigen. Zudem werden die Pläne zur Modernisierung und Aufstockung der Steuerbehörde beibehalten. Gemäss den Schätzungen des Weissen Hauses werden die beschlossenen Vereinbarungen die finanziellen Aufwendungen über die nächsten 10 Jahre um etwa eine Billion US-Dollar reduzieren.

Die Parteien haben sich nicht auf eine neue Schuldenobergrenze geeinigt, sondern haben sie bis Januar 2025 aufgehoben. Dann wird erneut eine Einigung nötig sein. Diese Periode wurde bewusst so gewählt, dass sie nicht in den Wahlkampf von 2024 fällt.

Einigung erzielt, was folgt als nächstes?

Die Finanzmärkte dürften wegen der Einigung eine gewisse Erleichterung verspüren, da die Unsicherheit vorübergehend vom Tisch sein sollte. Allerdings dürfte auch die Situation um die mittel- bis langfristige fiskalischen Herausforderungen im Hinterkopf präsent bleiben.

Ein wichtigerer Faktor betrifft den unmittelbaren Geldbedarf der Regierung. Damit die Regierung erneut die Begleichung der Verbindlichkeiten aufnehmen kann, muss das Verrechnungskonto aufgefüllt werden. Die erforderlichen Geldbeträge werden mittels neu ausgegebener Anleihen finanziert. Da es seit Januar nicht mehr möglich war, frisches Geld für dieses Konto durch Schulden aufzunehmen, muss dies nachgeholt werden, und zwar in grossem Stil.

Die Investmentbank Morgan Stanley beziffert den Bedarf auf 730 Milliarden US-Dollar in den nächsten drei Monaten und 1.25 Billionen für das Gesamtjahr. Goldman Sachs schätzt den Jahresbedarf mit rund einer Billion etwas tiefer. Käufer solcher Anleihen sind in der Regel Geldmarktfonds. Sollten diese aber bereits genug andere Anlagemöglichkeiten haben oder nur teilweise auf das Angebot eingehen, müssten andere Käufer in Erscheinung treten. Dadurch müssten sie andere Vermögenswerte abstossen, was die Liquidität reduziert und zu einer erhöhten Volatilität führen könnte.

Ende der Zinserhöhungen

In den ersten Monaten des Jahres wurde besonders der Zinspolitik Aufmerksamkeit geschenkt. Nach mehreren Erhöhungen wird dieses Jahr ein Ende des Zyklus erwartet. Um die Inflation zu bremsen, hat die US-Notenbank über einen Zeitraum von fast einem Jahr das Zinsniveau um knapp 5% angehoben. Die Inflationsdynamik hat sich verlangsamt, bleibt aber auf erhöhtem Niveau. Die Mai-Teuerung lag bei 4.9% im Vergleich zum Vorjahr.

Gemäss einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters erwartet eine Mehrheit der befragten Ökonomen, dass das Zinsniveau in den USA Ende Jahr dem aktuellen Niveau entsprechen wird. Ausserdem wird für das zweite Halbjahr eine Rezession erwartet.

Auf den ersten Blick scheint der Aktienmarkt die Aussicht auf gleichbleibende Zinsen und mögliche Senkungen im nächsten Jahr zu begrüssen. Der S&P 500® Index steht seit Jahresbeginn fast 12% höher (Stand 06.06.2023). Allerdings trübt der Eindruck, denn die Wertentwicklung wird von nur einer Handvoll Technologie-Titel angetrieben: Nvidia, Microsoft, Alphabet, Apple, Amazon und Meta. Ohne diese sechs Titel hätte der Index sogar einen Rückgang verzeichnet. Die aufgeführten Tech-Titel dürften besonders durch den Boom der künstlichen Intelligenz an Wert zugelegt haben.

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