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Digitale Marktplätze: von Online-Plattformen zu neuen Handelskonzepten

4. Juli 2016 | 4 Minuten
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Online-Plattformen können Mehrwert schaffen. Die Strategie entscheidet jedoch über den Erfolg. Unternehmen müssen ihr Ökosystem öffnen und umdenken. Dann können sich grosse Chancen eröffnen: für Etablierte, Newcomer – und Anleger.

Das Internet hat sich zu einem riesigen weltweiten Marktplatz entwickelt. Wie selbstverständlich werden heute verschiedenste Produkte und Dienstleistungen online angeboten und gehandelt. Dem E-Commerce dürfte auch künftig eine interessante Entwicklung bevorstehen; die Grafiken 1 und 2 zeigen vielversprechende Prognosen. Als Paradebeispiel des lukrativen Segmentes gilt der amerikanische Online-Versandhändler Amazon: Gestartet hat der Internetgigant mit dem Online-Verkauf von Büchern. Heute ist er Marktführer bei sogenannten «Business-to-Consumer (B2C)»-Transaktionen. B2C-Geschäfte werden mit Endkunden abgeschlossen. Konsumenten sind also die lukrative Hauptzielgruppe: Laut seinem Unternehmensbericht gewann Amazon allein im Weihnachtsgeschäft 2015 rund drei Millionen neue Premiumabonnenten hinzu. Aussichtsreich, sorgt doch nach Schätzungen des Magazins Business Insider ein Premiumabonnent zurzeit für einen Jahresumsatz von rund 800 US-Dollar. Der Ausblick auf den Markt mit Geschäftskunden bestätigt den starken Trend in Bezug auf den Online-Handel: Der Studie «Future of B2B Online Retailing» (09.04.2016) von Frost & Sullivan zufolge dürfte der weltweite Online-B2B-Markt bis 2020 auf 6.7 Billionen Dollar anwachsen und allein in den USA das doppelte Volumen seines B2C-Pendants aufweisen.

Nutzer-Penetrationsrate_des_B2C-Onlinemarktes_bis_2020
Prognose_des_durchschnittlichen_Transaktionsvolumens_pro_User

Plattformstrategie: ein anderes Vorgehen

Was treibt die beeindruckenden Prognosen? Die Marktforscher Forrester Research führen in ihrer Studie «B2B eCommerce, 2015 To 2020 (US)» aus dem Mai 2015 naheliegende Gründe wie Kosteneinsparungen auf Anbieterseite und bequemere Kaufprozesse für Nachfrager an. Starke Argumente, die einen grossen Teil des Erfolges erklären. Massgeblichen Einfluss haben zudem Faktoren, die ohnehin als Treiber vieler Technologietrends fungieren. So hat die sich verbreitende kostengünstige Nutzung von Smartphones bislang ausgeschlossene grosse Bevölkerungsteile in Ländern wie Indien, China, Afrika oder Südamerika in Wirtschaftskreisläufe eingebunden. Dank enormer Populationszahlen bei noch niedriger digitaler Penetration könnten diese Regionen zwei- bis dreistellige Wachstumsraten auslösen. Um besser zu verstehen, was erfolgreiche digitale Märkte von weniger erfolgreichen unterscheidet, widmen wir uns nun dem Konzept dahinter. Letztlich geht es um nicht weniger als die fundamentale Frage, wie Werte geschaffen werden können. Online-Plattformen können (von ihrem Leistungsangebot losgelöst) für zusätzliche Wertsteigerung sorgen –dies einfach nur, weil sie Plattformen sind. Für den Erfolg massgeblich ist dabei die Qualität der Strategie.

Drei Merkmale machen (erfolgreiche Plattformen aus)

Wodurch zeichnet sich eine gute Plattformstrategie aus? Die derinews-Redaktion hat einen der renommiertesten Plattform-Experten gefragt. Sangeet Paul Choudary ist Gründer und CEO von «Platform Thinking Labs» sowie Autor mehrerer Buchbestseller. Gegenüber derinews erklärte er, es gebe grundsätzlich drei Merkmale, die (erfolgreiche) Plattformen ausmachen. Zunächst sei da die Attraktivität für Teilnehmer. Ausserdem die Zurverfügungstellung von Tools und Services, die Interaktionen zwischen den Usern vereinfachen. Dabei sei es wichtig, Regeln und Rahmenbedingungen festzulegen, die bestimmen, welche Interaktionen vonseiten des Plattformbetreibers gewünscht sind. Zu guter Letzt die enthaltenen Daten: Sie müssen sowohl Anbietern wie auch Nachfragern möglichst gut entsprechen. Ausserdem müsse der Austausch von Werten zwischen beiden Seiten ermöglicht und überwacht werden.

Plattform statt Pipeline

In seinem Artikel «Plattform statt Pipeline», den Choudary mit zwei weiteren Experten des Bereiches in der diesjährigen Juni-Ausgabe des Harvard-Business-Manager-Magazins veröffentlicht hat, führt er an, dass es Plattformkonzepte eigentlich schon lange gebe. Einkaufszentren bringen zum Beispiel Konsumenten und Händler zusammen. Oder Zeitungen: Sie verbinden Abonnenten und Werbetreibende. Wegen der heutigen Informationstechnologien seien lediglich weniger physische Infrastruktur und Vermögenswerte erforderlich. Die IT mache Plattformen zurzeit schlicht viel billiger und leistungsfähiger. Riesige Datenmengen können schneller und einfacher verarbeitet, analysiert sowie ausgetauscht werden – ein Mehrwert für alle Akteure. Die betreffende Plattform wird insgesamt wertvoller. Bekannte Plattformanbieter, die ihre Branche so revolutionierten, sind der in kürzester Zeit zum chinesischen Handels- und Kommunikationsriesen aufgestiegene E-Commerce-Konzern Alibaba, der Online-Übernachtungsvermittler Airbnb oder der Taxidienst Uber.

Interaktionen «internalisieren»

Die hauptsächliche Nutzenstiftung einer Plattform liege in der «Internalisierung» von Interaktionen, erklärte Choudary weiter gegenüber derinews. «Überlegen Sie, wie Sie normalerweise ein Taxi rufen. Sie schlendern die Strasse entlang, halten Ausschau und heben die Hand, sobald Sie eines entdecken. Wenn Sie an Ihrem Zielort angekommen sind, zahlen Sie den auf dem Taximeter angegebenen Betrag. Als Taxivermittler ‹internalisiert› Uber all diese Vorgänge auf einer einzigen Plattform. Solch moderne Plattformunternehmen organisieren externe Netzwerke. Aktivitäten von ehemals externen Funktionen werden ergänzt oder völlig übernommen. Damit die Internalisierung aber gelingt und neuer Nutzen entsteht, muss die Interaktion ‹zünden› und User begeistern – die Voraussetzung dafür, dass Angebot und Nachfrage aggregiert zueinanderfinden und für Skaleneffekte sorgen.»

Umkehr des Outsourcings

Dem erwähnten Artikel Choudarys (Harvard Business Manager, Juni 2016) ist zu entnehmen, dass sich das klassische Outsourcing damit gar umkehrt. Früher haben Unternehmen einem Lieferanten Bestellungen vorgegeben. Heute werden Externe sogar bewusst eingebunden. Oft haben sie Ideen, auf die intern nie jemand gekommen wäre. Zum Beispiel Reiseportale, auf denen Verbraucher ihre Botschaften wie Urlaubsvideos oder Beurteilungen selbst erstellen. Oder das beste IT-Produkt-Design, das auf Basis eines regen Kundenaustausches entwickelt wird. Die Strategien von Plattformen unterscheiden sich fundamental von denen klassischer Pipeline-Unternehmen (mit sequenzieller Wertschöpfungskette). Für Letztere seien Verkaufszahlen, erwirtschafteter Umsatz und Gewinn die alleinigen Analysegrössen. Bei Plattformstrategien stehen hingegen Interaktionen im Mittelpunkt, ein Wertetausch zwischen Produzenten und Konsumenten.

Community-Effekt

Die_Akteure_eines_Plattform-ökosystems

Die wertvollsten Vermögenswerte einer Plattform sind folglich ihre Daten und Nutzer. Netzwerkeffekte innerhalb des Plattform-Ökosystems werden umso stärker, je mehr sich nachgelagerte Interaktionen ähneln. Zum Beispiel der Kauf von Büchern, die Empfehlungen erhalten, welche wieder zu neuen Bücherkäufen führen. Der ehemalige Nischenplayer und heutige Online-Riese Amazon bezeichnet sein Credo mittlerweile als «konzentrierte Diversifikation». Demnach solle der Kundenwert über das Technologie-Know-how des Kunden geschaffen werden. Plattformteilnehmer, Produzenten und Konsumenten selbst wirken also wertsteigernd. Je mehr Nutzer eine Plattform aufweist, desto grösser wird ihr Wert. Der «Community-Effekt» als ultimative Quelle für potenzielle Wettbewerbsvorteile.

Mehr zu den Akteuren eines Plattform-Ökosystems im Interview mit Sangeet Paul Choudary.

«Ineffiziente» Branchen mit Potenzial

Plattformunternehmen, die neu gegründet werden, weisen dem Artikel zufolge ein von vornherein extern orientiertes Ökosystem auf. Pipeline-Unternehmen hingegen tun sich im Falle eines Strategiewechsels oft schwer. Verständlich, denn mit der Öffnung des traditionellen Systems sind nicht nur grössere Chancen, sondern auch mehr Gefahren verbunden. Die Erfolgsbeispiele Apple und Google haben vorgemacht, wie Systemöffnungen eine Bedrohung für Etablierte und Chancen für vermeintlich «harmlose» Newcomer mit sich bringen können. Und doch: Auch Pipeline-Unternehmen können im Plattformsegment Erfolge feiern. Gegenüber der derinews-Redaktion verriet Industrie-Experte Choudary, dass dabei insbesondere «ineffiziente» Branchen ein starkes Wachstumspotenzial aufweisen. Gute Opportunitäten biete zum Beispiel das Gesundheitswesen. Trotz bestehender Risiken und regulatorischer Hürden könnten Plattformstrategien dort grossen Wert generieren.

In digitale Marktplätze investieren

Auch Investoren bieten die digitalen Märkte Chancen. Der Spezialist für Technologie-Investments Thomas Rappold begründet dies so: «Das Prinzip ‹The winner takes it all› greift bei digitalen Märkten noch mehr als bei anderen Technologietrends. Kommt es in bestimmten Branchen zu Sättigungen, kann dies zu einem stärkeren Konsolidierungsdruck (und Kursfantasien) führen.» Mithilfe sogenannter «Economies of Scale» (Skaleneffekte) minimieren Unternehmen also Infrastruktur- und Transaktionskosten – und schaffen Potenzial für Preissenkungen. Gleichzeitig erhält bzw. steigert dies die Profitabilität von Unternehmen. Die neuen Technologien verstärken dabei nur die Grösseneffekte. Beispiele dafür sind Deutsche Börse AG und London Stock Exchange, die sich bereits in einem elektronischen Markt mit hoher Profitabilität bewegen und über Fusionsbestrebungen das gemeinsame Ziel verfolgen, eine zukunftsweisende paneuropäische Superbörse zu schaffen.

Der Digital Marketplaces Performance-Index lässt Anleger an der Entwicklung digitaler Märkte teilhaben. Grafik 4 zeigt, welchen quantitativen und qualitativen Regeln das Indexkonzept folgt. Als Indexberater agiert Thomas Rappold, berechnet wird der Index von Solactive. Die Tabelle veranschaulicht die Startzusammensetzung des neu lancierten Index, der halbjährlich angepasst wird.

Konzept_des_Digital_Marketplaces_Performance-Index

Startzusammensetzung des Index

Unternehmen Bereich/Region Region Links Selektionskriterien
Adobe Systems Inc. Software USA Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
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Alibaba Group Holding-sp ADR Internetkommunikation China Homepage (EN)
Wikipedia (DE)
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Amazon.com Inc. Internetkommunikation USA Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
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CME Group Inc. Finanzservices USA Homepage (EN)
Wikipedia (DE)
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CTRIP.com Inc. Internetkommunikation China Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
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Deutsche Börse AG Finanzservices Deutschland Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
PDF
eBay Inc. Internetkommunikation USA Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
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Expedia Inc. Internetkommunikation USA Homepage (EN)
Wikipedia (DE)
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Fiserv Inc. Software USA Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
PDF
Hong Kong Exchanges & Clearing Finanzservices Hong Kong Homepage (EN)
Wikipedia (DE)
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Intuit Inc. Software Grossbritannien Homepage (EN)
Wikipedia (DE)
PDF
Moneysupermarket.com Internetkommunikation Grossbritannien Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
PDF
Netflix Inc. Internetkommunikation USA Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
PDF
Paypal Holdings Inc. Konsumentenservices USA Homepage (DE)
Wikipedia (DE)
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Priceline Group Inc./The Internetkommunikation USA Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
PDF
Rea Group Ltd. Finanzen, Real Estate Australien Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
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Rightmove Plc Internetkommunikation Grossbritannien Homepage (EN)
Wikipedia (EN)
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Zillow Group Inc.-A Internetkommunikation USA Homepage EN)
Wikipedia (EN)
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